01.12. Vor 30 Jahren: Rettenbach ist Bundessieger "Unser Dorf soll schöner werden"

Rettenbach. Das waren die Schlagzeilen im Jahre 1991: „Goldmedaille – Riesenjubel in Rettenbach“, „Rettenbach – ein Dorf wie es sein soll“ und „Rettenbach steht Kopf: Goldmedaille auf Bundesebene“ solche und weitere Überschriften prägten die Lokalseiten von Rettenbach im Jahre 1991. Was war geschehen?

 

neu begrünte Friedhofmauer

 

Die Geschichte begann im Jahr 1978, damals kürte die Jury im Orts-Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ die Ortschaft Rettenbach mit ihren 220 Einwohnern zum Kreissieger. Die Organisation hatten damals Bürgermeister Alfons Piller und OGV-Vorsitzender Anton Kulzer. Piller beschrieb das Dorf als landwirtschaftlich geprägt, mit 12 landwirtschaftlichen Betrieben, 2 Gasthäuser, 2 Gemischtwarenhandlungen, Schlacht- und Kühlhaus und eine Raiffeisenbank. Der gemeindliche Friedhof war damals neu entstanden und die Kanalisation in Planung. Das Schulhaus beherbergte 10 Klassen und die Turnhalle war ebenfalls in Planung. Die alte Friedhofsmauer wurde begrünt und das Rathaus renoviert, einige Altautos wurden entfernt. Die Einwohner pflanzten damals schon Bäume und Sträucher an Straßen und Wegen, wenn es auch lange heiß: „In Rettenbach wächst kein Obst“. Bestehende Häuser wurden verschönert und einige alte Bauern- und Waldlerhäuser erhalten.

 

12 Jahre später rüstete sich Rettenbach erneut für den Wettbewerb. Alfons Piller war immer noch Bürgermeister und Konrad Weinzierl seit 1985 OGV-Vorsitzender. Sie meldeten das gut durchgrünte Dorf erneut an.

 

neu gepflegte alte Bausubstanz mit großzügigem Straßenbegleitgrün

 

Inzwischen entstand das Baugebiet Rettenbach-Vogelherd am Stausee. Eine neue offene Siedlung, mit vielen Laubbäumen und Gehölzen eingegrünt, ohne Gartenzäune, aber mit Spielplatz. Viele einheimische junge Familien fanden dort eine Heimat. Der Gemeindefriedhof, am Waldrand gelegen, durchsetzt mit viel Grün, eine schön gestaltete letzte Ruhestätte. Die „Hochzeitsalle“ entwickelte sich prächtig. Schule mit Schulgarten und Turnhalle fügten sich gut in die Ortschaft ein. Petrusbrunnen, Kriegerdenkmal, die „Brille“ und das ganz in Grün eingebettete Telefonhäuschen werteten das Dorf gestalterisch auf. Das wurde auch von der Jury so gesehen. Rettenbach wurde 1990 erneut Kreissieger und in einem weiteren Entscheid Bezirkssieger.  Bei der Siegerehrung forderte der damalige Landrat Ernst Girmindl: „Ortsverschönerung soll Daueraufgabe sein, der dörfliche Charakter soll erhalten werden“.

                                                          

Ein Jahr später sollte dann für Rettenbach die ganz große Bühne kommen.

 

Die Wettbewerbsziele hatten sich etwas gewandelt, hin zu „Zukunft gestalten – Heimat erhalten“. Verbesserung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum und Erhaltung des dörflichen Charakters, das Zusammenleben im Dorf und den Gemeinschaftsgeist zu fördern, waren die aktuellen Ziele. Diese wurden nun bei der Vorbereitung auf den Landes- und Bundeswettbewerb konkret in Angriff genommen.

 

Die Themenbereiche „Entwicklung des Dorfes, bürgerschaftliche Aktivitäten, Baugestaltung des Dorfes und Grüngestaltung des Dorfes“ wurden im dörflichen Spiegel betrachtet. Externe Fachleute kamen zur Evaluierung, neue Ideen entstanden. Verbesserungsvorschläge wurden erarbeitet und mit den Bürgern besprochen und umgesetzt. Die Rettenbacher nahmen den Spannungsbogen auf, der über ihrem Dorf schwebte. Viele Verschönerungsmaßnahmen im öffentlichen und privaten Bereich wurden durchgeführt. Der Gemeinschaftsgeist zeigte Wirkung: naturnahe Dorfverschönerung war erkennbar. Entlang der Bäche und im öffentlichen Grün wirkte Kreisfachberater Josef Glatthaar als großer Motivator für eine zusätzliche Durchgrünung. Die Dorfbäche mit ihren völlig naturbelassenen Uferbereichen verstärkten das naturgemäße Dorfbild und trugen in erheblichem Maße zum erfolgreichen Abschneiden bei.

 

neu inzwischen geschlosseneer Kramerladen mit Blumenschmuck

 

Im privaten Grün waren es vor allem Pflanzungen,  die seit Jahren zielstrebig erfolgten und zum Erhalt des ländlichen Charakters in Dorf und Siedlung als sehr wertvoll anerkannt wurden. Einige fremdartige Gehölze konnten nach Beratungen entfernt werden.

 

Gestaltung und Pflegezustand der öffentlichen Gebäude waren bereits gut, konnten aber nochmals verbessert werden. Gut gestaltet und eingegrünt fügten sich die dominante Pfarrkirche, die begrünte Friedhofsmauer, dass frisch renovierte Rathaus, Schule, Kindergarten, der naturnah gestaltete Flurbereinigungsparkplatz und die Kläranlage nahtlos in die Umgebung ein. Die Übernahme des traditionellen dörflichen Baustils bei den meisten Neubauten war unverkennbar.

 

So nutzten die Rettenbacher die Zeit bis zum Eintreffen der Landeskommission am 26. Juni 1991 zu weiteren Verschönerungen. Rettenbach durfte damals als einziger Bezirkssieger den Lkr. Cham vertreten. O-Ton Anton Kulzer, damals Ehrenvorsitzender des OGV: „Eine Goldmedaille auf Landesebene wäre zu hoch gegriffen“. Es sollte anders kommen. Die Landeskommission war begeistert und wählte das Dorf unter 23 Konkurrenten zusammen mit 8 anderen als Landessieger aus. Bürgermeister Piller dazu: „Jetzt ist eine große Zitterpartie vorbei und wir hoffen auf „gold“. Sein Wunsch ging in Erfüllung. 

 

neu Konrad Weinzierl Alfons Piller Karl Krampol bei der Verleihung der Landessiegerplakette

 

Damit war das nächste Ziel vorgegeben: Qualifikation und Teilnahme am Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“, am 25.08.1991. Die Bewohner des Vorwaldortes waren in den letzten Wochen noch sehr aktiv, um aus dem Dorf ein „Schmuckkästchen“ zu machen. Zusammen mit Sarching, Lkr. Regensburg, vertraten die Rettenbacher das Land Bayern beim Bundeswettbewerb.

 

Die Dorfbewohner fieberten nun der Entscheidung entgegen. Werden die langjährigen Bemühungen um Gestaltung und Verschönerung von Erfolg gekrönt? Im Lkr. Cham hatte dieses „Wunder“ nur Kalsing im Jahre 1983 geschafft. Weitere 32 Dörfer hatten sich 1991 für den Bundesentscheid qualifiziert. Die Jury erschien an einem Sonntag, um 9.00 Uhr, bei strahlendem Sonnenschein, mit einem großen Omnibus. Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Viele Rettenbacher und weitere Gemeindebürger hatten sich eingefunden und waren in freudiger Erregung ob der Geschehnisse in den nächsten zweieinhalb Stunden.

 

Bürgermeister Piller begrüßte die 12-köpfige Jury und erklärte in der schön dekorierten Turnhalle das Dorf, anhand von Bildern und Karten, die an Ausstellungswänden befestigt waren. Lehrer Albert-Wagner mit dem Schulchor und die Schuß-Zwillinge mit einem Gedicht von Heimatdichterin Karolina Oberberger glänzten musikalisch-kulturell.

 

OGV-Vorsitzender Konrad Weinzierl führte die Experten und viele teilnehmende Rettenbacher und Gemeindebürger anschließend zum Spielplatz Vogelherd, dem höchsten Punkt im Dorf und sprach über die bürgerschaftlichen Aktivitäten und Leistungen im Hinblick auf den Wettbewerb. Beim Bauernhof von Josef Hamperl gab es Zwiebel- und Kümmelbrot frisch aus dem Holzbackofen. Auch die Hochzeitsallee wurde besichtigt und die Gäste aus Berlin wollten wissen, was mit einer Hochzeitslinde bei einer Scheidung passiert. Schließlich trafen sich alle nach der Besichtigung zur Schlussbesprechung im Gasthaus Wagner, wobei die Aussagen der kompetenten Sprecher über ihre Eindrücke nach dem Rundgang durchaus auf einen guten Ausgang hoffen ließen. Dann kam die Zeit des Hoffens und Bangens.

 

14 Tage später war es soweit; das Unfassbare war Wirklichkeit geworden: „Rettenbach ist Bundessieger“! „Rettenbach darf sich schönstes Dorf der Bundesrepublik nennen“, schrieben die Zeitungen. Mit Glück und Geschick hatten die Rettenbacher gesiegt. Bürger von Rettenbach und die Verantwortlichen spürten eine tiefe Genugtuung und große Freude. Im September fand dann eine rauschende Siegesfeier auf dem Vorplatz der Turnhalle statt. Stellvertretender Landrat Theo Zellner übermittelte die Glückwünsche des gesamten Landkreises. Johann Tahedl hatte Holzofenbrot gebacken, es gab Gegrilltes und Rettenbacher Frauen hatten schmackhaften Salat zubereitet. Anton Götz bereicherte die Feier mit seinen Spielen und bei Freibier spielte die „Laurentiuskapelle“ zünftig auf.

 

neu Golddorffeier

 

Am Donnerstag, 23. Januar 1992, fand dann im internationalen Kongresszentrum in Berlin die Abschlussveranstaltung mit Verleihung der Goldmedaille auf Bundesebene statt.

 

neu Berlin ICC

 

Bürgermeister Alfons Piller, Stellvertreter Ludwig Meinzinger, OGV-Vorsitzender Konrad Weinzierl und Stellvertreterin Monika Kulzer nahmen die Goldmedaille im 16. Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ aus den Händen von Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle und Sonja Gräfin Bernadotte, der Präsidentin der Deutschen Gartenbaugesellschaft, entgegen. Ein Bus voll Rettenbacher war mit nach Berlin gekommen, wohnte der feierlichen Zeremonie bei und war auch stolz auf das Erreichte. Ein Besuch auf der „Grünen Woche“ und eine Stadttour durch Berlin rundeten den 3-tägigen Besuch in Berlin ab.

 

In der Folgezeit kamen viele Besuchergruppen und Besucher ins „Golddorf“ Rettenbach, um sich in dem hochdekorierten Dorf umzuschauen. OGV-Vorsitzender Konrad Weinziel und Bürgermeister Alfons Piller führten in der Folgezeit die vielen Interessenten durch das Dorf. Auch die nachfolgenden Bürgermeister Georg Griesbeck und Alois Hamperl zeigten und zeigen ihren Gästen aus Nah und Fern gerne die Schönheiten des Dorfes und suchen Fotomotive für besondere Anlässe. Dass ihm die naturnahe Gestaltung des Ortes nicht gleichgültig ist, zeigte Alois Hamperl auch damit, dass er eine Fläche mit 17 Obstbäumen als Streuobstwiese ausweisen ließ.

 

Konrad Weinzierl weist immer wieder bei Versammlungen und Ortsterminen auf die besondere Situation in Rettenbach hin, dass der Zauber des Golddorfes in Teilbereichen erhalten bleibt und der Geist der hohen Auszeichnung bei der dörflichen Gestaltung noch lange nachwirkt. Dabei ist ihm besonders der Erhalt der großkronigen Laubbäume ein Herzensanliegen.

 

Konrad Weinzierl

OGV-Vorsitzender

 

Die Fotos zeigen einzelne Situationen und Augenblicke rund um die Vorbereitungen, den Wettbewerb und die Golddorffeier.

  • Begrünte Friedhofmauer
  • alte Bausubstanz
  • Golddorffeier
  • Kramerladen
  • Empfang der Goldmedaille, Konrad Weinzierl, Alfons Piller, Karl Krampol
  • KFB Glatthaar, SGL Eisenreich, Anton Kulzer
  • Neubau eines Waldlerhauses

neu Golddorf Ansichten 1

 neu Kreisfachberater Josef Glatthaar Sachgebietsleiter Josef Eisenreich Anton Kulzer